Sonntag, 10. April 2011

ZUM NACHDENKEN

Texte, Der Mann, der aus der Wüste kam Band 12


Nein, in der Wüste gab es nichts. Jeder, und ich kannte eigentlich nur Menschen, die in dieser Wüste lebten, sie, diese Frau, war die erste, die mir von einem anderen Land außerhalb der Wüste berichtete, und wirklich jeder, den ich bisher in meinem Leben gefragt habe, konnte dies bestätigen. Auf unserer Erde gab es nur die Wüste, sonst nichts. Keine Liebe, keine Freude, keine Freiheit, kein Recht auf andere Wünsche als die, die in dieser Wüste erlaubt waren. Ich erinnerte mich plötzlich, als ich mehrere Schritte durch mein Zimmer schritt und in meinem Herzen wusste, dass ich schwer krank war und mein krankes Herz durch einen weiteren Stich sich meldete, sodass ich mich in meinen alten hohen Sessel lehnen musste, dass vor Jahren, es mochte an die 20 Jahre her sein, einer von uns jungen Gefangenenwärter lachend bei der Tür herein trat. Heute weiß ich nicht mehr, wie er geheißen hat, denn ich habe vieles vergessen, zu vieles vergaß man hier in der Wüste. Wir Männer waren damals alle noch jung, knapp 20 Jahre alt und er öffnete die Tür mit einem lachenden Gesicht, zog sich um, sein Arbeitsgewand an und während er dies tat, schilderte er uns, was er gerade auf seinem Weg zu seiner Arbeit von einem etwas älteren Wüstenbewohner erfahren hatte. Dieser hatte ihm berichtet, dass früher die Wüste relativ klein gewesen war, sich jedoch seit Jahrzehnten immer mehr ausdehnte. Auf meine Fragen, zu jener Zeit stellte ich noch unbekümmerte Fragen, Fragen, die mich, die noch alle Bewohner dieser Erde interessierte, warum dies so sei, erzählte er in aller Stille, was ihm dieser Alte da still und heimlich zugeraunt habe. Man würde an andere Orte fahren, an Orte, man höre und staune, wo es grünes Gras gebe, wo es Wasser in rauen Mengen gäbe, ja, sogar Schnee gebe es. Das war etwas, was ich nicht kannte. Keiner von uns kannte gefrorenes Wasser. Wir wussten alle gar nicht, was das bedeutet, Wasser in Überfluss. Hier in der Wüste wurde genau kontrolliert, wie viel Wasser wir verbrauchen durften. Wir lebten schließlich in einer Wüste, wo gespart werden musste, damit alle überleben konnte. Dieser Alte da, so begann mein Kollege, habe ihm Dinge geschildert, worüber er zuletzt nur mehr scherzhaft lachen konnte. Er begann zu schildern und meine anderen Berufskollegen folgten seinem Beispiel, ich aber stand daneben, jetzt fiel es mir wieder wie Schuppen von den Augen. Ich stand als einziger in dieser Männerrunde und brach nicht in schallendes Gelächter aus. Auf einmal verstummten alle um mich und sahen mich an. Und dann geschah etwas, was ich nicht für möglich gehalten hatte, heute für möglich gehalten hätte. Ich hörte mich reden. Ich stellte dem Kollegen eine Frage, die da lautete: Und wenn das alles stimmen würde, was dieser Alte da gefaselt hat? Wenn es stimmt, dass es da draußen irgendwo grüne satte Wiesen gibt mit Kühen auf der Weide, wo Menschen nicht verhungern, wo Wasser und alle Rohstoffe nicht gehortet und verteilt werden müssen untern den Wüstenbewohnern, was dann? Was ist, wenn es da draußen auf unserem Planeten noch eine andere Welt gab, eine grünere, eine mit Tieren und…“, ich konnte damals nicht weiter reden, ich keuchte, „…eine mit Menschen, die nicht die Wüste kannten?“ Alle waren stumm geblieben für einen kurzen Moment, danach aber in lautes Gelächter ausgebrochen. „Das war ein Witz, weiter nichts, der erste, der mir eingefallen ist“, fuhr mein Kollege, der als letzter gekommen war, fort. „Es gibt nur die Wüste. Es gibt keine Menschen, die Land erobern und sie zu einer Wüste machen. Das war ein dummer Scherz von dem Alten, glaub mir, der hat einen Sonnenstich bekommen und kein Wasser getrunken. Wer von uns Menschen wird so dumm sein, ein Paradies, eine schöne Welt zu zerstören, damit wir eine Wüste haben, wer? Nur ein Narr kann das glauben, dass Menschen dazu fähig sind. Wir haben eine wunderbare Regierung, schau sie dir doch an, was sie alles unternimmt, um uns zu schützen und zu bewahren vor all den Gefahren da draußen. Wir sind echte Wüstenbewohner, wir leben nur in der Wüste….denn es gibt nur die Wüste und sonst nichts, hast du es jetzt verstanden, Mann!“