Sonntag, 2. Oktober 2011

BAND 13 Als ich begann.....Romanfortsetzung

Texte, Roman:



„Ich frage mich die ganze Zeit“, fing er an, „warum es so wenig Liebe gibt in unserer Welt. Warum wir die Liebe nirgendwo finden, ich meine, die einzig wahre, die bedingungslose Liebe. Warum gibt es so wenig Liebe in unserer Welt da draußen auf unserem Planeten? Bin ich blind geworden in meinem Leben, dass ich sie nicht mehr entdecken kann? Oder gibt es sie tatsächlich nicht? Haben die Menschen aufgehört, an sie zu glauben, sie zu suchen und zu finden? Was glaubst du, Helena?“ Dabei sah er mich sehr ernst an und blieb stehen. „Ich friere, komm lass uns weiter gehen, es ist kalt“, erwiderte ich. „Ja, kalt ist es, schon viel zu lange. Wir leben im 21. Jahrhundert, stell dir das vor. Ich dachte immer, nach diesem magischen Jahr 2000 wird alles anders. Ist es das? Sind wir wirklich glücklicher geworden, reicher, zufriedener? Wir haben Krieg hier, verstehst du? Europa führt Krieg gegen ein anderes Land, gegen Menschen, die sicherlich auch die Liebe suchen. Oder ist es das, was die heutigen Menschen nicht mehr tun? Sie suchen gar nichts mehr, haben alles vergessen, ihr schönsten Träume, ihre größten Hoffnungen – und fürchten sie nur mehr? Ist es tatsächlich schon so weit, dass die heutigen Bürger Europas, die Menschen dieser Erde alles vergessen haben, sogar, dass es die Liebe gibt? Dass man Menschen noch immer lieben kann, die eigene Frau, den eigenen Ehemann und Partner, das eigene Kind, und darüber hinaus, die Nachbarn, die Verwandten und Bekannten“, und er fügte dies mit großer Traurigkeit hinzu, „auch fremde Menschen, Menschen, denen wir zum ersten Mal begegnen. Können wir alle nicht mehr lieben? Wissen wir noch immer nicht, dass diese Liebe das einzige Mittel ist, um die Erde und ihre Bewohner zu retten? Muss es stets nur Krieg geben, Katastrophen, die wir selbst herbeiführen, Brandschatzung, Plünderungen, Mord und Totschlag? Ich habe jahrelang gehofft, dass es im neuen Jahrhundert besser wird. Man hat lange genug geredet, dass es nur besser werden kann. Alle haben davon geredet, wirklich alle, überall in den Medien haben sie von nichts anderem gesprochen als von unserem bevorstehenden Glück, dem wir nur zustimmen müssten, ein Ja ankreuzen bei der nächsten Wahl. Was ist aus unserer Welt geworden? Ein Scherbenhaufen. So viele Länder sind bankrott oder stehen vor dem Ruin und die meisten Politiker haben keine Lösung parat. Ich verstehe diese Welt nicht. Kann man das Glück durch Lügen erkaufen? Kann man die Menschen kaufen und sie gleichzeitig verkaufen? Scheinbar kann man das, ohne dass einer mit der Wimper zuckt, ohne dass irgendjemand aufsteht und sagt: Das ist Betrug, das wollen wir nicht. Wir wollen stattdessen wieder unsere Rechte als Bürger, unsere Menschenrechte, unsere Freiheit, unsere alten Gesetze. Wir wollen wieder als liebende Menschen leben, wir wollen uns als Menschen sehen, die fähig sind, sich selbst und ihre Mitmenschen bedingungslos zu lieben. Was ist aus unserer Welt geworden? Was, frage ich mich? Kaputte Beziehungen, wohin man schaut, gestörte Beziehungen, beziehungsunfähige Menschen! Verwahrloste Kinder, Frauen und Männer, wohin man schaut, unfähig, ihre wahren Gefühle zu erkennen und zu leben! Will denn niemand von diesen Verrückten, Wahnsinnigen, die ich da überall erblicke, wirklich glücklich sein? Glauben diese gestörten Menschen, denn das sind sie wirklich alle, dass sie ohne Liebe auskommen? Dass es genügt, in dieser Welt, Geld zusammen zu kratzen, den anderen zu belügen und betrügen und sich kurzfristig zu amüsieren, zu unterhalten, sich abzulenken, weil sie ihre eigenen Bedürfnisse zu stillen nicht mehr in der Lage sind? Stets muss ein anderer dafür büßen, das eigene Kind, der eigene Partner, die nächsten Verwandten, der Mann von der nächsten Ecke, büßen für etwas, was der andere gar nicht verbrochen hat, weil man irgendwo diese innere Leere erkannt hat und sie nicht mehr ertragen kann? Ich fasse es nicht, dass man mit niemanden über die Liebe reden kann, dass es so wenig Menschen in unserer Zeit gibt, denen etwas an einer wahren Beziehung liegt. Ich verstehe auch, warum dies so gekommen ist, ja, Helena, ich begreife dich. Trotzdem kapiere ich eines nicht. Wenn wir schon alle nicht bedingungslos geliebt und gelehrt wurden von unseren Eltern, Großeltern und der Gesellschaft zu lieben, und uns etwas fehlt, denn das spüren wir, dass da etwas fehlt in uns, weshalb suchen wir nicht das, was uns fehlt? Warum suchen wir nicht verzweifelt nach dieser Liebe, die uns allen seit Generationen vorenthalten wurde? Warum?“ Er hatte die letzten Worte immer lauter gesprochen und ich war stehen geblieben und sah ihn an, mehr konnte ich momentan nicht für ihn tun.

„Sie lieben nicht, weil sie nicht lieben können. Sie alle haben es nie gelernt. Es war niemand hier, der sie gelehrt hat, der sie erinnert hat, was wahre Liebe ist, wie man ein menschenwürdiges Dasein führt. Sie haben keinerlei Erfahrungen mit dieser bedingungslosen Liebe gehabt, ganz im Gegenteil, ihre Eltern haben sie nicht wirklich geliebt, ihre Freunde nicht, in der Schule wurden sie nicht wirklich geliebt, und im Berufsleben auch nicht. Du weißt am besten, wie es in einem Beruf zugehen kann. Woher sollen die Menschen wissen, was wahre Liebe ist, wenn keiner da ist und ihnen zeigt, wo es lang geht. Glaube mir, alle Menschen haben sie irgendwann für einen kurzen Moment erfahren, vielleicht für einen sehr kurzen Moment, doch es wurde uns allen verwehrt, diese Liebe zu akzeptieren, sie anzunehmen, sie in unser Leben zu integrieren. Wir Menschen leben nicht bewusst. Noch immer bestimmt unser Unterbewusstsein den größten Teil unseres Lebens, und dies bedeutet, unsere Traumata aus der Kindheit, aus der pränatalen Phase bestimmen unser Erwachsenendasein, seit Anbeginn unseres menschlichen Daseins als Fötus werden wir mit dieser Unmenschlichkeit, Grausamkeit konfrontiert. Wir erleben nichts anderes als Leid, Schmerz, Trauer, Verlustangst, Ablehnung, Hass und Wut. Wer von dieser ehrenwerten, so christlich gesinnten Welt, nimmt uns an, so wie wir sind? Die Menschen können diese Liebe nicht finden, wie man ein Auto oder ein paar Schuhe finden kann in einem Kaufhaus. Das ist unmöglich. Unsere Erziehung heute ist nicht darauf ausgerichtet aus uns „bewusste Menschen“ zu machen, die wissen, was sie sagen und denken, warum sie das tun, was sie tun. Unser Höheres Bewusstsein, unsere Seele, hat in unserer Welt nicht das Sagen, begreifst du es? Die Menschen haben die Lehren des Universums vergessen, sie haben, wenn du so willst, auf viel zu viel vergessen. Es ist heute nicht modern, nachzudenken, selbstständig zu denken über sich selbst. Die meisten haben auch dazu keine Zeit, denn sie müssen Geld verdienen, um zu überleben. Sie haben tausenderlei Ängste, und viele von ihnen sind nicht unbegründet. Da bleibt für die Liebe keine Zeit, das stimmt.“ „Doch warum suchen sie nicht mehr, warum wollen sie nicht finden, die wahre Liebe finden?“,sprach er voller Verzweiflung und wandte sich ab und ging ein paar Schritte weiter. „Weil sie nichts gefunden haben, das ist der Grund, das ist der wahre Grund. Die Liebe ist nicht in unseren Lügen zu Hause, auch nicht in unseren Illusionen, das ist es. Die wahre Liebe hat ihr eigenes Reich und dorthin zu gelangen ist heute schwerer denn je.“

Wir schritten den ganze Weg, den wir vorhin marschiert hatten zurück, kalt war es noch immer, der Schnee lag auf den Feldern und nur ein paar Vögel ließen sich blicken. „Als du mir dieses Gedicht gabst, glaubte ich meinen Augen nicht zu trauen. Ich dachte ich wäre verrückt. Du selbst hast an der Liebe gezweifelt, hast sie gesucht wie einer von diesen verrückten, größenwahnsinnigen Menschen von heute….“ „Und ich habe sie gefunden, das stimmt. Irgendwann finde ich immer etwas, weißt du?“, sagte ich schelmisch zu ihm. „Jeder findet etwas, tagtäglich, doch wie du das verwertest, was du gefunden hast, das ist die Sache jedes einzelnen.“ Er entgegnete nichts mehr, hielt aber nach wenigen Metern inne und wandte sich erneut mir zu. „ Als ich begann, mich der Liebe anzuvertrauen, da kannte ich sie nicht, ich – und andere Frauen“, hub er an. „ Ist das dein Ernst, Helena? Du kanntest die wahre Liebe nicht, wo du mir oft genug mitgeteilt hast, dass sie ewig ist, nie zerstört werden kann?“ „Das ist richtig, die wahre Liebe ist ewig, nichts kann sie zerstören, nichts sie beschmutzen, und doch kannte ich sie nicht. Ich wusste nur von dieser anderen Liebe, dieser falschen, und – ich kannte den Unterschied nicht zwischen der einen, die letztendlich keine ist und der einen, der wahren. Ich musste mir erst bewusst machen, dass ich sie niemals erlebt hatte, diese wahre Liebe – und dies, mein Lieber – ist ein sehr schmerzhafter Prozess, den heute viele Menschen nicht beschreiten wollen. Es ist der schmale Pfad der Seele, den die heutigen Erdbewohner nicht bereit sind zu gehen. Sie schämen sich, sie weigern sich, sie können diesen erlittenen Schmerz nicht annehmen. Sie können sich nicht annehmen. Die Angst hindert sie, und glaube mir, es sind nicht irgendwelche Ängste, es sind die schlimmsten Ängste, die es gibt. Wenn es um die Liebe geht, so geht es um Sein oder Nicht – Sein, um Leben und Tod. Wer gibt gerne zu, dass er bisher als Toter durchs Leben gegangen ist, dass man ihm alles genommen hat, das Allerwichtigste in seinem Leben, dass sein Leben unerfüllt war, leer war, das man ihm das gestohlen hat, was er am notwendigsten gebraucht hätte? Niemand will das wirklich wahrhaben, freiwillig, meine ich, wenn nicht das Leben letztendlich dich dazu bringt, der bitteren Tatsache ins Auge zu schauen und sich irgendwann einzugestehen, dass man von Geburt an, eigentlich vom Zeitpunkt der Zeugung an, einschließlich der neun Schwangerschaftsmonate, immer wieder um diese Liebe betrogen worden ist, sie niemals oder nur sehr selten erfahren hat. Wer von uns, wer von den Menschen heute ist bereit zu sagen, dass er sich selbst annehmen kann, zu allem stehen kann, was er je getan hat, was er je gesagt oder gedacht hat – und das annehmen kann, was ihm je widerfahren ist. Keiner, denn dies hält niemand aus. Den furchtbaren Schmerz, das unsägliche Leid, wir reden hier von den bittersten Erfahrungen, die sich der Mensch wird stellen müssen, bevor er sich der wahren Liebe zuwenden kann, sich einzugestehen, das – halten nur wenige aus. Annahme, verstehst du, dies ist das Schlüsselwort. Ohne Annahme keine Liebe, sondern wieder nur Wut, Zorn, Hass und Gewalt. Annahme ist der Beginn und darum, mein Lieber, auch der Anfang meines Gedichtes.

Als ich begann

der Liebe zu vertrauen

da kannte ich

sie nicht

ich und viele Frauen